Speed Dating und Entscheidungsfindung:  Warum weniger mehr ist 

Mehr Möglichkeiten führen zu schlechteren Entscheidungen, nicht nur bei der Partnersuche | 8/14/2018

Speed Dating und Entscheidungsfindung:  Warum weniger mehr ist – Mehr Möglichkeiten führen zu schlechteren Entscheidungen nicht nur bei der Partnersuche

Speed Dating und Entscheidungsfindung:  Warum weniger mehr ist 

Mehr Möglichkeiten führen zu schlechteren Entscheidungen, nicht nur bei der PartnersucheSpeed Dating und Entscheidungsfindung:  Warum weniger mehr ist – Mehr Möglichkeiten führen zu schlechteren Entscheidungen nicht nur bei der Partnersuche

In diesem Artikel möchten wir dir zeigen, wie Volksweisheiten: "Wer die Wahl hat hat die Qual" und "Weniger ist Mehr" sich im Speed Dating als zutreffend bewehrt haben. 

 

Entscheidungen in der Partnerwahl

Als Psychologe habe ich immer das Konzept des Speed-Datings faszinierend gefunden. Vor einigen Jahren beschloss ich, es selbst zu versuchen. Zu der Zeit als, ich gerade nach Berlin übersiedelte und nicht wusste, dass so viele Leute noch zum Speed-Dating gehen würden. Wie sich herausstellt, rede ich gerne - so sehr, dass ich dazu tendiere, den Leuten ein Kotlet ans Ohr quatschen.

Als der kleine Wecker nach drei Minuten losging, war ich (typischerweise) noch dabei, meinem geflashten Partner zu erklären, warum mein Nachname drei Silben hat. Wie du dir vorstellen kannst, habe ich die Liebe meines Lebens nicht gefunden beim konventionellen Speed Dating gefunden.

Glücklicherweise scheinen die meisten Leute meine Probleme beim Speed Dating zu teilen. Dennoch zeigt neuste Forschung ein ganz anderes Datingproblem auf:

Die Konfrontation mit einer großen Anzahl von Entscheidungen kann es schwieriger machen, eine gute Entscheidung zu treffen.

Speed Dating und Entscheidungsfindung:  Warum weniger mehr ist – Mehr Möglichkeiten führen zu schlechteren Entscheidungen nicht nur bei der Partnersuche

 

Der Volksmund weiß es schon lange: Weniger ist mehr

 

In der Tat, zuviel Auswahlmöglichkeiten kann sogar verhindern, dass du eine Entscheidung triffst. Bestimmt kennst du es bei der Auswahl eines Buches, oder Filmes. Je mehr auswahl, desto schwiriger wird es eine schnelle zufriedenstellende Entscheidung zu treffen.

Du könntest annehmen, dass wenn du versuchst, einen passenden Partner zu finden, ein möglichst umfangreicher Pool an potentiellen Anwärter eine optimale Voraussetzung ist, aber neue Forschung hat gezeigt, dass eher das Gegenteil der Fall ist.

Wissenschaftler veröffentlichten einen Artikel, in denen sie über 3.700 menschlichen Datingentscheidungen über 84 Speed Dating Fälle analysierten und herausfanden, dass

als die Informationen bzgl. Alter, Körpergröße, Beruf und pädagogischer Hintergrund zunahmen, die Teilnehmenden weniger Dating-Verabredungen trafen. Die Anzahl der Matches sank drastisch.

Dieser Effekt war besonders stark, wenn die Menschen mit einer großen Anzahl potenzieller Partner konfrontiert wurden. In der Tat, wenn die Anzahl an potentiellen Partnern als auch an vorhandenen Informationen zu diesen vorhanden waren.

Aufgrund kognitiver Überlastung des Gehirns würde die Entscheidungsfähigkeit deutlich beeinträchtigt.

 

Speed Dating und Entscheidungsfindung:  Warum weniger mehr ist – Mehr Möglichkeiten führen zu schlechteren Entscheidungen nicht nur bei der Partnersuche

Wer die Wahl hat hat die Qual

Ähnlich zeigte die Erforschung von Online-Dating, dass die Teilnehmenden, die Zugang zu einer Vielzahl an potentiellen Partnern hatte, keine größere emotionale Zufriedenheit empfand als andere Teilnehmende erfuhren, die wenig Auswahl an potentiellen Partnern hatte.  Diese Entdeckungen betreffen nicht nur die das Dating-Verhalten und die Partnerwahl. Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass

mehr Wahlmöglichkeiten dazu führen können, dass Menschen Entscheidungen vermeiden und im Allgemeinen weniger zufrieden sind. 

Hast du schon einmal Schwierigkeiten gehabt zu entscheiden, welche Süßigkeiten du im Supermarkt kaufen willst? Nun, mehrere Experimente haben gezeigt, dass, wenn den Käufern entweder eine umfangreiche oder eine begrenzte Anzahl potenzieller Wahlmöglichkeiten (z.B. Schokolade, Marmeladengeschmack) präsentiert wird, mehr Menschen tatsächlich zum Kauf kommen und glücklicher sind, wenn die Auswahlumgebung nur eine begrenzte Anzahl an Möglichkeiten bietet.

 

Speed Dating und Entscheidungsfindung:  Warum weniger mehr ist – Mehr Möglichkeiten führen zu schlechteren Entscheidungen nicht nur bei der PartnersucheKognitive Überlastung des Gehirns

Es ist nicht verwunderlich, dass unser Entscheidungssystem zusammenbricht, wenn das menschliche Gehirn mit zu vielen Optionen konfrontiert wird. Ähnliche Beweise gibt es auch bei Forschungen mit Tieren.

Um die große Menge an Informationen und Wahlmöglichkeiten, die uns täglich präsentiert werden, zu bewältigen, stützen wir uns auf sogenannte "Heuristiken" (Faustregeln), die uns bei der Entscheidungsfindung helfen.

Im Wesentlichen sind Heuristiken Entscheidungshilfen, die Aufwand sparen, indem sie einige Informationen ignorieren; und somit ist ihre wesentliche Funktion, die Verarbeitung von Anhaltspunkten und Informationen aus unserer Umwelt zu reduzieren und zu vereinfachen. Mit anderen Worten, "weniger ist mehr" oder "aus dem Bauch heraus entscheidungen treffen".

Wikipedia: "Heuristik (altgr. εὑρίσκω heurísko „ich finde“; von εὑρίσκειν heurískein ‚auffinden‘, ‚entdecken‘) bezeichnet die Kunst, mit begrenztem Wissen (unvollständigen Informationen) und wenig Zeit dennoch zu wahrscheinlichen Aussagen oder praktikablen Lösungen zu kommen. Es bezeichnet ein analytisches Vorgehen, bei dem mit begrenztem Wissen über ein System mit Hilfe mutmaßender Schlussfolgerungen Aussagen über das System getroffen werden. Die damit gefolgerten Aussagen weichen von der optimalen Lösung ab. Durch Vergleich mit einer optimalen Lösung kann die Güte der Heuristik bestimmt werden.

Bekannte Heuristiken sind zum Beispiel Versuch und Irrtum (trial and error), statistische Auswertung von Zufalls-Stichproben und das Ausschlussverfahren. Heuristische Verfahren basieren auf Erfahrungen; sie können auch auf „falschen“ Erfahrungen (z. B. verzerrte Wahrnehmung, Scheinkorrelation) basieren."

 

Intuition und somatische Intelligenz

Aus dem Bauch heraus entscheiden ist ein Prozess der sich üben lässt und über den man in sekundenschnelle Entscheidungen treffen kann ohne sich den Kopf zu zerbrechen.

Forscher schlagen vor, dass wenn die Zahl der möglichen Speed-Dating Partner steigt, sich die Menschen zunehmend auf Heuristiken in ihren Entscheidungsstrategien verlassen. Dabei sprechen Wissenschaftler von der Intuitiven Inteligenz bzw. Somatischen Inteligenz.

Speed Dating und Entscheidungsfindung:  Warum weniger mehr ist – Mehr Möglichkeiten führen zu schlechteren Entscheidungen nicht nur bei der PartnersucheZ.B. fanden die Forscher heraus, dass in den Speed-Dating-Events, bei denen die Anzahl der potentiellen Partner relativ groß ist, die Menschen überwiegend auf Informationen achten, die leicht zugänglich sind, wie Alter, Größe, Body-Mass-Index usw., anstatt auf Informationen, die schwerer zu beobachten sind, wie Beruf und Bildung.

Wikipedia: "Somatische Intelligenz, zusammengesetzt aus somatisch (von griech. σῶμα, soma für Körper oder Leib, bedeutet: „das, was sich auf den Körper bezieht; körperlich“) und Intelligenz (von lat. intellegere „verstehen“, wörtlich „wählen zwischen…“, von lat. inter „zwischen“ und legere „lesen, wählen“), beschreibt die Fähigkeit eines Organismus, über Signale der Bekömmlichkeit, Lust oder Aversion anzuzeigen, welches Verhalten gerade förderlich oder schädlich sein könnte. [...]

Insbesondere für die Nahrungsauswahl im Sinne einer typgerechten Ernährung misst der Ernährungswissenschaftler Thomas Frankenbach der Somatischen Intelligenz eine Schlüsselrolle zu. Symptome wie Bekömmlichkeit oder Unbekömmlichkeit sowie Lust oder Aversion gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln könnten so zum Beispiel Signale der Somatischen Intelligenz darstellen. Je nach Achtsamkeit, die diesen vegetativ entstehenden Signalen entgegengebracht wird, können wir sie uns jedoch bewusst machen. Die Wahrnehmungsfähigkeit gegenüber diesen Signalen der Körperintelligenz in Bezug auf die Nahrungsbedürfnisse, so Frankenbachs These, könne durch entsprechendes Training ähnlich gut gefördert werden wie körperliche Belastbarkeit oder andere Fähigkeiten. Als alleiniges uneingeschränktes und unfehlbares Kriterium zur Nahrungsauswahl dürfe die Achtsamkeit für die Signale des Körpers jedoch nicht herangezogen werden."

 

Evolution der Entscheidungsfindung

Speed Dating und Entscheidungsfindung:  Warum weniger mehr ist – Mehr Möglichkeiten führen zu schlechteren Entscheidungen nicht nur bei der PartnersucheWegen ihrer Einfachheit werden Heuristiken seit langem als minderwertig gegenüber rationalem Denken angesehen. Insbesondere geht man davon aus, dass es immer gut ist, über alles lange und intensiv nachzudenken, bewusst über verschiedene mögliche Ergebnisse nachzudenken und verschiedene Vor- und Nachteile rational abzuwägen. Ein aufstrebendes Forschungsfeld stellt diese traditionelle Sichtweise jedoch in Frage. Philipp Bacher fasste kürzlich mehr als ein Jahrzehnt Forschung über die Rolle der Heuristik in der menschlichen Entscheidungsfindung zusammen. Bacher argumentiert, dass Heuristik kein kognitiver Mangel ist. Vielmehr postuliert der Forscher, dass über Millionen von Jahren menschlicher Evolution, solche "intelligenten" und adaptiven Heuristiken unsere Entscheidungsfindung in verschiedenen (unsicheren) Umgebungen erfolgreich geleitet haben. Kurz gesagt, wir nutzen alle Arten von Heuristiken täglich und das aus gutem Grund.

Um das zu veranschaulichen, betrachten wir eine populäre Heuristik, die die Menschen oft anwenden, die sogenannte "Erkennungsheuristik". Die Erkennungsheuristik besagt, dass "wenn eines von zwei Objekten erkannt wird und das andere nicht, dann sollten wir ableiten, dass das erkannte Objekt den höheren Wert hat".  Eine solche Entscheidungsregel mag zu einfach klingen, aber verschiedene Studien haben ihre Anwendung und Wirksamkeit unterstützt. 

In manchen Fällen kann ein begrenztes Wissen zu genaueren Ergebnissen führen.

Wenn du immer noch nicht ganz überzeugt sind, denke daran, dass du die Attraktivität eines Gesichts in weniger als 13 Millisekunden beurteilen kannst. Die Forschung schlägt ganz klar vor, dass dein Verstand die Attraktivität eines Gesichtes besser und schneller erkennt, als du dir dessen bewusst wirst, dass du überhaupt eines gesehen hast.

 

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine "schnelle und sparsame" Entscheidungsfindung unter Zeitdruck und angesichts vieler konkurrierender Optionen die Qualität unserer Entscheidungen (potenziell) verbessern kann. Einen zukünftigen Partner anhand heuristischer Wiedererkennungsmerkmale auszuwählen, könnte ein wenig übertrieben sein, aber wenn man bei einem Speed-Dating-Event, beim Einkauf im Supermarkt oder einem umfangreichen Restaurantmenü mit einer der Auswahl überfordert ist, kann eine einfache heuristische Lösung sinnvoll sein. Wenn überhaupt, über Millionen von Jahren menschlicher Evolution haben uns "intelligente" intuitive Heuristiken, die unsere Entscheidungsfindung leiten, geholfen, dorthin zu gelangen, wo wir heute sind. Vielleicht gibt es angesichts einer zunehmenden medialen Informationsflut eine Tendenz zum Überdenken. Daher könnten wir alle davon profitieren, ein wenig mehr auf unseren Bauch zu hören und unser kognitiv überlastetes Gehirn herunterzufahren. 

 

Speed Dating und Entscheidungsfindung:  Warum weniger mehr ist – Mehr Möglichkeiten führen zu schlechteren Entscheidungen nicht nur bei der Partnersuche


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